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Rebberg in Maienfeld
Rebbau in Maienfeld. Foto: ANU

Der trockene und heisse Sommer 2022 beschert den Bündner Winzerinnen und Winzern nach 2018 erneut eine aussergewöhnlich gute Ernte. Steht dem Weinbau im zunehmend wärmeren Klima also eine rosige Zukunft bevor?

«2018 – ein wunderbares Rebjahr in Graubünden», titelte die kantonale Fachstelle Weinbau ihren Rebbaubericht, den sie jeweils Ende Jahr herausgibt. Wärme und Trockenheit während der Vegetationsperiode sorgten damals für eine aussergewöhnlich grosse und qualitativ gute Ernte. Nachdem der Sommer 2022 ähnlich trocken und heiss verlief wie 2018, dürfen sich die Winzerinnen und Winzer nun wiederum auf eine reiche Lese freuen. Der Bündner Rebbaukommissär Walter Fromm sagt: «Das Jahr 2022 zeigt sich fast identisch mit dem Jahr 2018. Es ist eine Traubenmenge zu erwarten, die die Keller füllen lässt, gepaart mit einer sehr guten Qualität.»

Früherer Blühbeginn und veränderte Traubenreife

Ob diese zwei auffallend guten Ernten innerhalb von fünf Jahren dem Klimawandel geschuldet sind, lässt sich nicht schlüssig beantworten. Fakt jedoch ist, dass die Durchschnittstemperaturen in der Schweiz seit längerem steigen und die Sommer deutlich trockener geworden sind – Bedingungen, die der aus warmen Klimagebieten stammenden Weinrebe grundsätzlich behagen. Die höheren Temperaturen machen sich im Weinbau jedenfalls schon seit längerem bemerkbar, zum Beispiel beim Einsetzen der Blütezeit. Dazu sagt Fromm: «In den 80er- und 90er-Jahren begannen die Bündner Reben während der zweiten Junihälfte zu blühen, seit 1998 blühen sie nun bereits in der ersten Hälfte des Junis oder sogar schon Ende Mai.» Das verändert auch den Reifeprozess der Trauben und damit den Charakter des Weins.

Neue Anbaumethoden und -gebiete sind gefragt

In den kommenden 40 Jahren wird es im Sommer um weitere 2,5 bis 4,5 °C Grad wärmer sein und Extremereignisse wie Hitze, Trockenheit oder Starkregen werden zunehmen. Steht dem Bündner Weinbau also eine rosige Zukunft bevor? «Kurzfristig ja», sagt Fromm, «doch gehen mit dem Klimawandel auch Wetterphänomene einher, die dem Rebbau langfristig schaden können, wenn wir nicht rechtzeitig reagieren.» So begünstigen etwa sintflutartige Regenfälle den Pilzbefall, und nehmen die Dürreperioden weiter zu, wird auch die Rebe an ihre Grenzen stossen. Fromm ist es deshalb ein Anliegen, bereits heute die richtigen Weichen zu stellen. Im Pflanzenschutz setzt der Kanton vermehrt auf Bioweinbau. Grundsätzlich ist für Fromm der Boden der Schlüssel für eine erfolgreiche Weinbauzukunft: «Nur über den Boden lassen sich die Wetterextreme langfristig abpuffern. Wir unterstützen deshalb Massnahmen, die den Humusaufbau und damit die Wasser- und Nährstoffspeicherkapazität der Böden fördern.» Eine weitere Massnahme sieht Fromm im Agroforst – eine Kombination von Obst- und Weinbau, die die Reben im Halbschatten wachsen lässt. Darüber hinaus lässt sich dem Klimawandel auch mit einer geeigneten Sortenwahl begegnen. Der Kanton hat diesbezüglich bereits heute einen sehr liberalen Sortenkataster, der das Anpflanzen von aktuell spätreifenden Sorten wie Sangiovese, Nebbiolo, Primitivo und Petit Manseng erlaubt. Trotzdem sieht Fromm die Zukunft eher bei veränderten Anbaumethoden als bei der Sortenwahl: «Der Pinot noir ist die wichtigste Rebsorte im Kanton Graubünden und weist eine jahrhundertelange Tradition auf. Weder die Winzer noch die Konsumenten sind erpicht auf einen Sortenwechsel. Und da wir dank der Alpen in die Höhe ausweichen können, haben wir im Kanton ein gewisses Potenzial, dem Pinot noir noch auf lange Zeit eine Heimat zu bieten.»