Das Bündner Energiegesetz enthält seit dem 1. Januar 2021 neue Regelungen zum Umgang mit Energie. Der Experte für Energieeffizienz Andrea Lötscher vom Amt für Energie und Verkehr (AEV) erläutert, wie das Bündner Energiegesetz den Schutz des Klimas unterstützt. Das AEV ist zuständig für die Umsetzung der neuen Regelungen.
Andrea Lötscher, was hat das Bündner Energiegesetz mit dem Schutz des Klimas zu tun, oder anders gefragt, wie hängt der Energieverbrauch mit dem Klima zusammen?
Andrea Lötscher: Energieverbrauch und Klimawandel sind eng verknüpft. Seit einigen Jahrzehnten verwenden wir vor allem Heizöl, Erdgas, Diesel oder Benzin, um Maschinen und Motoren anzutreiben oder um zu heizen. Beim Verbrennen dieser fossilen Energieträger entsteht als Abgas CO2, das sich in der Atmosphäre ansammelt und den Klimawandel antreibt. Im Kanton Graubünden stammt über die Hälfte (59 %) der verbrauchten Energie aus fossilen Energieträgern.
Wie trägt das Bündner Energiegesetz dazu bei, dass wir in Zukunft klimaschonender Energie nutzen?
Andrea Lötscher: Grundsätzlich bezweckt das Gesetz eine effizientere und nachhaltigere Nutzung von Energie. Das Gesetz fördert einerseits die Einsparung von Energie durch Wärmesanierungen bei Gebäuden. Andererseits bewirkt das Gesetz, mittels finanzieller Beiträge die Nutzung von erneuerbarer, statt fossiler Energie voranzutreiben.
Was zum Beispiel gilt neu für Haushalte?
Andrea Lötscher: Das Gesetz regelt den Umgang mit Energie für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Klimatisierung. Wird zum Beispiel eine alte Ölheizung ersetzt, muss die neue Heizung mit einem bestimmten Anteil erneuerbarer Energien betrieben werden. Und vor allem muss sie effizienter funktionieren als die alte – sie muss also für dieselbe Heizleistung weniger Energie verbrauchen.
Was fordert das Bündner Energiegesetz in punkto Energieversorgung, wenn ich ein Haus neu bauen möchte?
Andrea Lötscher: Bei Neubauten ist in der Regel ein Teil der benötigten Elektrizität durch entsprechende Einrichtungen am Gebäude selbst zu produzieren. Das kann zum Beispiel durch eine Solaranlage sein. Generell ist nach dem Stand der Technik zu bauen.
Unterstützen mich der Kanton oder der Bund und die Gemeinde finanziell, wenn ich mein Haus klimafreundlich bauen oder sanieren möchte, und wo kann ich mich dazu beraten lassen?
Andrea Lötscher: Ja, der Bund, der Kanton und auch einige Gemeinden unterstützen bauliche Massnahmen, welche die Energieeffizienz steigern. Informationen finden sich auf der Website des AEV www.aev.gr.ch, zu den Förderprogrammen unter www.energie.gr.ch und zu den gesetzlichen Vorgaben unter www.energienachweis.gr.ch. Im Jahr 2020 sicherte der Kanton Graubünden für über 1000 Projekte eine totale Summe von rund 17.5 Mio. Franken zu.
Wie steht es mit Massnahmen im Strassenverkehr?
Andrea Lötscher: Die Aufgaben des Kantons im Umgang mit Energie sind auf den Gebäudebereich beschränkt. Der Strassenverkehr verursacht mit einem Anteil von rund einem Drittel am meisten Treibhausgasemissionen von allen Sektoren und wird hauptsächlich durch den Bund geregelt. Da kann der Kanton deutlich weniger zum Klimaschutz beitragen als im Bereich der Gebäude.
Wie ist das Bündner Energiegesetz mit anderen Bestrebungen von Bund und Kanton zum Schutz des Klimas verbunden?
Andrea Lötscher: Das Bündner Energiegesetz ergänzt die kantonale Klimastrategie, das CO2-Gesetz und die Energiestrategie des Bundes. Die Kantone müssen für Massnahmen zur CO2-Reduktion im Gebäudebereich sorgen; das Bündner Energiegesetz ist somit einer der Mosaiksteine auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Lebensweise. Es hilft zudem, die Abhängigkeit von importierten fossilen Energien zu reduzieren und die einheimischen erneuerbaren Energien zu stärken. Das schafft Arbeitsplätze und Investitionen im Inland.
Der Bundesrat hat Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2050 zum Ziel gesetzt, so wie es auch das internationale Abkommen von Paris zum Schutz des Klimas fordert, das fast alle Länder weltweit unterzeichnet haben. Reicht das Bündner Energiegesetz aus, um dieses Ziel im Kanton zu erreichen?
Andrea Lötscher: Nein, das Bündner Energiegesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es führt uns noch lange nicht ans Ziel einer Lebensweise mit Netto-Null Treibhausgasemissionen. In den kommenden Jahren müssen wir alle den Ausstoss an Treibhausgasen weiter reduzieren, auch im Verkehr oder in der Industrie und der Landwirtschaft. Bund und Kantone versuchen sowohl mit gesetzlichen Rahmenbedingungen wie Grenzwerten als auch mit finanziellen Anreizen und Abgaben, die verschiedenen Sektoren in eine CO2-reduzierte Richtung zu bewegen. Dies sind aber immer politische Prozesse und oftmals hat das Volk das letzte Wort, wie beim kürzlich abgelehnten CO2-Gesetz.
Andrea Lötscher, besten Dank für das Gespräch!