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EV-Ladestation
Symbolbild. Quelle: freepik.com

Der Grosse Rat hat in der Aprilsession 2025 der zweiten Etappe des Aktionsplans Green Deal zugestimmt. Doch was bringen die geplanten Massnahmen der Bündner Bevölkerung? Und welche Chancen ergeben sich für Unternehmen oder Tourismusregionen?

In der Aprilsession 2025 hat der Grosse Rat die zweite Etappe des Aktionsplans Green Deal für Graubünden (AGD) beschlossen und das neue Klima- und Innovationsgesetz (BKIG) verabschiedet. Der offizielle Titel klingt abstrakt: «Gesetz über die Förderung und Finanzierung von Massnahmen zu Klimaschutz und Innovation in Graubünden». Doch dahinter steckt konkreter Nutzen – für die Menschen in Graubünden ebenso wie für die regionale Wirtschaft.

Das Gesetz ermöglicht es dem Kanton, erfolgreiche Programme wie das Gebäudeprogramm oder die klimaneutrale Landwirtschaft fortzuführen und auszubauen. Gleichzeitig schafft es zusätzliche Fördermöglichkeiten, beispielsweise für neuartige Technologien in der Industrie und im Gewerbe, für die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sowie für Solaranlagen, die Gebäudedächer optimal nutzen.

Folgende Beispiele verdeutlichen, was die zweite Etappe des Green Deals im Alltag bewirken könnte.

Elektromobilität auch im Mehrfamilienhaus

Wer in einem Einfamilienhaus wohnt, kann heute problemlos eine Ladestation für sein Elektrofahrzeug installieren. In Mehrfamilienhäusern hingegen ist das deutlich komplizierter: Manche Stockwerkeigentümer besitzen bereits ein E-Auto oder möchten sich eines kaufen, andere nicht. So scheitern gemeinsame Lösungen oft an Uneinigkeit, meist infolge der hohen Kosten für die nötige Grundinfrastruktur.

Mit der zweiten Etappe des Green Deals soll sich das ändern: Bis 2030 können Stockwerkeigentümer Fördergelder für eine gemeinsame Elektro-Grundinstallation beantragen. Wer dann auf Elektromobilität umsteigen will, hängt einfach eine Ladestation (Wallbox) beim eigenen Parkplatz auf. So wird das Laden von E-Autos auch im Mehrparteienhaus einfacher und alltagstauglich.

Doch der Green Deal denkt noch weiter: Auch Ladestationen, die nicht nur Strom ins Auto einspeisen, sondern ihn bei Bedarf auch wieder ins Haus oder ins Netz zurückgeben, sollen künftig gefördert werden. Solche bidirektionalen Wallboxen machen Elektroautos zu mobilen Stromspeichern und helfen dabei, Stromüberschüsse und -engpässe im Netz besser auszugleichen.

Mehr Sonnenstrom vom eigenen Dach

Eine Solaranlage auf dem Hausdach lohnt sich bislang insbesondere dann, wenn sie sie so ausgelegt ist, dass möglichst viel Strom selbst verbraucht wird. Denn das Einspeisen von überschüssigem Strom ins Netz bringt wenig ein und der Kanton fördert aktuell nur Anlagen, die für die Produktion von Winterstrom optimiert sind.

Mit dem Green Deal könnten Gesuchstellende neu auch Fördergelder für Anlagen beantragten, die mehr Gebäudefläche und somit mehr des Solarpotenzials ausnutzen.

Fahrplan zur CO-freien Tourismusdestination

Plant eine Tourismusregion, bis 2050 klimaneutral zu werden – wie es das eidgenössische Klimagesetz für alle Unternehmen in der Schweiz vorsieht – ist das eine anspruchsvolle Aufgabe. Es erfordert nicht nur technisches Know-how, sondern auch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. Um dieses Vorhaben zu erleichtern, könnte der Kanton künftig bis zu 50 % der Kosten für die Analyse der CO2-Einsparpotenziale von Tourismusdestinationen ausrichten.

Ein beträchtliches Einsparpotenzial liegt bei der Präparation von Skipisten. So verbrauchen alle Pistenmaschinen im Kanton jährlich etwa so viel Diesel wie der gesamte öffentliche Verkehr. Eine Alternative wäre der Einsatz von synthetischen, klimafreundlichen Kraftstoffen. Dieser scheiterte aber bisher an den enormen Investitions- und Betriebskosten. Der Green Deal soll deshalb künftig auch Pilotprojekte und Anlagen unterstützen, die Brenn- und Treibstoffe aus grünem Wasserstoff oder aus abgeschiedenem CO2 herstellen – letzteres etwa aus den Abgasen der Zementproduktion oder der Kehrichtverbrennungsanlagen. 

Abwärme nutzen statt verschwenden

Ein grosses Holzheizkraftwerk in der Region Chur produziert heute Strom und versorgt andere Industrieunternehmen mit thermischer Energie. Dabei geht ein grosser Teil der entstehenden Abwärme – weit über 100 Gigawattstunden pro Jahr – ungenutzt an die Umwelt verloren. Gleichzeitig sind in der Region noch zahlreiche Gebäude mit fossilen Heizungen ausgestattet, die in der nächsten Zeit ersetzt werden müssen. Die Lösung liegt auf der Hand: Die Abwärme des Holzkraftwerks über eine 10 Kilometer lange Leitung in das bestehende Wärmenetz von Chur einspeisen. Doch bislang scheitert das Vorhaben an den erforderlichen Vorinvestitionen von geschätzt über 20 Millionen Franken.

Mit der zweiten Etappe des Green Deals könnte sich das ändern: Ein substanzieller Beitrag aus der Spezialfinanzierung Klimaschutz könnte den Bau ermöglichen – und die Region einen grossen Schritt näher an eine fossilfreie Wärmeversorgung bringen.

Strassenbeläge aus Asphalt vollständig recyceln

Ein Bündner Unternehmen stellt aus Gesteinskörnungen und Bindemitteln Strassenbaustoffe her. Dabei nutzt es bereits Recyclingmaterial aus Rückbauten. Der Anteil ist jedoch begrenzt. Denn eine unklare Zusammensetzung des Materials kann die Endproduktqualität beeinträchtigen.

Aus der Forschung existiert ein vielversprechendes Verfahren, mit dem Gesteinskörnung und Bindemittel ohne Qualitätsverlust vollständig getrennt und wiederverwendet werden können. Da es bislang nur in Pilotanlagen erprobt ist, wäre der Bau einer industriellen Anlage mit hohen Investitionen und Risiken verbunden. Fördergelder aus der zweiten Etappe des Green Deals könnten den Weg für eine erste solche Anlage in Graubünden ebnen. Das würde regionale Aufträge, Arbeitsplätze und Know-how in einem zukunftsträchtigen Greentech-Bereich schaffen.